27.03.2009. In der aktuellen Diskussion über die ORF-Struktur bezieht der VÖP Stellung: Die wirtschaftliche Absicherung des ORF durch ein tiefgreifendes Struktur- und Spar­konzept ist ebenso notwendig wie die Befreiung vom Quotendruck.

ORF-Werbemöglichkeiten müssen zu Gunsten des öffentlich-rechtlichen Programmangebots reduziert werden.

In der aktuellen Diskussion rund um Struktur und Zukunft des ORF bezieht auch der Verband Österreichischer Privatsender Stellung. „Eine Reform des ORF ist unausweichlich“, so Christian Stögmüller, VÖP-Vorsitzender und Geschäftsführer von Life Radio. „Dabei geht es sowohl um Strukturfragen als auch um Finanzierungsfragen. Klar ist: Um dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gerecht zu werden und damit auch die Legitimation für mehr als eine halbe Milliarde Euro an Rundfunkgebühren zu schaffen, muss der ORF sich auf seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag besinnen. Das jedoch ist nur möglich, wenn der ORF in seinen Werbemöglichkeiten deutlich eingeschränkt wird. Nur so kann man ihn vom Druck der Quotenmaximierung und damit aus der Abhängigkeit von der Werbewirtschaft befreien.“

In der EU gibt es mehrere Beispiele für öffentlich-rechtliche Sender mit entweder werbefreien Programmen oder deutlichen Einschränkungen im Bereich der Werbemöglichkeiten. Im Ergebnis sind diese Sender inhaltlich  stärker an öffentlich-rechtlichen Programmkriterien orientiert und damit weniger verwechselbar als der ORF, der mit seinem Programm „ORF 1“ im internationalen Vergleich eher das Erscheinungsbild eines gebührenfinanzierten Privatsenders  hat. Verschiedene Beihilfeverfahren der letzten Jahre haben gezeigt, dass die EU-Kommission klar dafür eintritt, öffentlich-rechtliche Sender in ihren kommerziellen Aktivitäten zu beschränken, um trotz der Gebühren­finanzierung dieser Sender faire Bedingungen im Wettbewerb mit rein werbefinanzierten Privatsendern zu ermöglichen. Der VÖP tritt daher dafür ein, dem ORF keinesfalls zusätzliche Werbemöglichkeiten zu gewähren und verweist auf den bereits seit langem zu Gunsten des ORF verzerrten Wettbewerb. Es muss – im Gegenteil – das langfristige Ziel sein, den ORF von der Werbewirtschaft unabhängig zu machen. Kurzfristig, also bereits jetzt, müssen jene Werbemöglichkeiten eingeschränkt oder abgeschafft werden, die dem Charakter eines öffentlich-rechtlichen Senders geradezu widersprechen.  Ein werbefreies Hauptabendprogramm, wie etwa in Deutschland, würde dazu führen, dass sich die Programmgestaltung wieder an inhaltlichen Kriterien anstatt an wirtschaftlichen Erwägungen ausrichtet. Zudem sollte Product Placement dem ORF grundsätzlich verboten sein – also auch in geringfügigen Fällen – um den hohen Ansprüchen an Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit eines öffentlich rechtlichen Programms gerecht werden zu können. Und der Durchrechnungszeitraum von einem Jahr für die quantitative Beschränkung der ORF-Werbezeit muss – damit die Einhaltung dieser Grenzen überhaupt kontrolliert werden kann – abgeschafft werden. „Der Rundfunkmarkt ist ständig in Bewegung.“, so Stögmüller. „Neue Angebote und technische Dienste werden in Zukunft sowohl dem ORF als auch den Privatsendern Konkurrenz machen. Der ORF muss sich aufgrund der sich laufend ändernden Marktverhältnisse also ohnehin auf Veränderungen seines Anteils im Werbemarkt einstellen. Die einzige Lösung, um den ORF aus dieser Geiselhaft der Quotenmaximierung zu befreien, ist ein klarer Fokus auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag und damit eine stärkere Gebührenlegitimation.“ Als Konsequenz des Beihilfeverfahrens der EU-Kommission ist u.a. die Einführung eines Public Value Tests für zusätzliche Angebote des ORF zu erwarten. Dieser soll sicherstellen, dass zusätzliche Angebote des ORF einen gesellschaftlichen Mehrwert bieten und nicht zu einer weiteren Verzerrung des Wettbewerbs führen. In diesem Zusammenhang fordert der VÖP eine marktgerechte Ausgestaltung der entsprechenden Richtlinien sowie eine Abstimmung mit und Einbeziehung von allen Marktteilnehmern.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Zukunft gestaltet werden kann. „Vor dem Hintergrund des EU-Verfahrens wird gerade genau geprüft, wofür staatliche Beihilfen verwendet werden. Keinesfalls dürfen sie zur einer Wettbewerbsverzerrung beitragen“, so Martin Blank, stellvertretender VÖP-Vorsitzender und Geschäftsführer von PULS 4. „Und natürlich findet in Österreich eine krasse Wettbewerbs­verzerrung statt. Einerseits kassiert der ORF über eine halbe Milliarde Euro an Gebühren, andererseits schöpft er hunderte Millionen an Werbeerlösen ab“. Blank fordert, dass – so wie in ganz Europa – auch in Österreich darüber nachgedacht wird, öffentlich-rechtlichen Rundfunk völlig werbefrei zu machen. „Das ist der richtige Weg, denn mit reiner Gebührenfinanzierung wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk gänzlich unabhängig von Wirtschaftskrisen und sinkenden Werbeerlösen“, erläutert Blank.

In Zeiten der internationalen Redimensionierung von Medienunternehmen ist es nach Ansicht des VÖP geradezu unverantwortlich, die ORF Struktur in der bestehenden Größe erhalten zu wollen. Stögmüller erläutert: „In Zeiten der Krise müssen sich alle Unternehmen – so auch der ORF – tiefgreifenden Strukturfragen stellen. Eine Reform anzustreben, ohne dabei die ‚richtigen‘ Fragen zu stellen – wie etwa die nach dem Mitarbeiterstand oder nach dem Nutzen der neun Landesstudios – wäre heuchlerisch und von Anbeginn zum Scheitern verurteilt. Die vieldiskutierte ‚Krise des ORF‘ hat nicht nur mit Einbrüchen im Werbemarkt zu tun, sondern damit, dass der ORF strukturell überdimensioniert und damit zu teuer aufgebaut ist.“

Der VÖP und alle Mitglieder aus den Bereichen TV und Radio – lokal, regional und national – appellieren in aller Dringlichkeit an die Bundesregierung, diese Überlegungen bei der Neugestaltung der rechtlichen Rundfunkrahmenbedingungen zu berücksichtigen!

Aus Sicht des VÖP kann die Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingungen zugleich mit einer nachhaltigen Absicherung des ORF dann und nur dann erreicht werden, wenn der ORF klar und eindeutig als öffentlich-rechtliches Unternehmen positioniert wird – inhaltlich und wirtschaftlich. Nur eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten verbunden mit tiefgreifenden Struktur- und Sparmaßnahmen können sowohl die wirtschaftliche als auch die inhaltliche Unabhängigkeit absichern.