25.04.2008. Die derzeitigen Entwicklungen auf EU-Ebene bergen für die österreichische Medienpolitik enorme Chancen, den österreichischen Rundfunkmarkt in Richtung eines echten dualen Systems weiterzuentwickeln und die derzeitige
Schieflage zwischen Privatsendern und ORF auszugleichen. Diese sind im Einzelnen:
1. Im Januar 2008 hat die EU-Kommission in einem Brief an die österreichische Bundesregierung wesentliche Mängel im derzeitigen dualen Rundfunksystem in Österreich festgestellt. Anlass für dieses Schreiben waren die Beschwerden des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) und des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) im Jahr 2005. Ein wesentlicher Punkt in diesem Brief war die Frage der Finanzierung des ORF und inwiefern diese zu Marktverzerrungen in Österreich führen könnte.
2. Parallel dazu wird europaweit das Finanzierungssystem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter diskutiert. Konkret hat die EU-Kommission im Januar 2008 eine öffentliche Konsultation zum Thema „staatliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ in allen Mitgliedsstaaten durchgeführt. Die Fragen reichen dabei vom öffentlich-rechtlichen Auftrag (Definition, Erfüllung, Aufsicht) über Mischfinanzierung bis zu Transparenz und Kontrollmöglichkeiten.
3. Im Dezember 2007 trat die neue Audiovisuelle Mediendienste Richtlinie („AVMD-RL“) als Nachfolgeregelung der Fernsehrichtlinie in Kraft. Diese sieht unter anderem Vereinfachungen und Flexibilisierungen bei der Fernsehwerbung und bei Teleshopping vor und ist bis Dezember 2009 in österreichisches Recht umzusetzen.
Die derzeitigen Verhältnisse am österreichischen Rundfunkmarkt stellen sich folgendermaßen dar: Der ORF hatte im Jahr 2007 einen TV-Marktanteil von 43%, die ORF Radiosender verfügten 2007 gar über einen Marktanteil von 79%. Im Jahr 2007 hat der ORF 59% der TV-Werbeeinnahmen in Österreich erzielt. Diese Zahlen verdeutlichen die dominierende Stellung des ORF im österreichischen Rundfunkmarkt. Trotz Liberalisierung und Digitalisierung ist also die wesentliche Marktmacht beim ORF konzentriert geblieben. Damit stehen dem ORF – im Gegensatz zu den privaten Mitbewerbern – ganz enorme finanzielle Ressourcen zusätzlich zu den eingehobenen Rundfunkgebühren zur Verfügung. Im Ergebnis führt diese Doppelfinanzierung zu erheblichen Marktverzerrungen und Wettbewerbsnachteilen für die privaten Marktteilnehmer.
Christian Stögmüller, Vorstandsvorsitzender des VÖP und Geschäftsführer von Life Radio: „Vor dem Hintergrund der aktuellen technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen ist die Rolle von öffentlich-rechtlichem Rundfunk, dessen wettbewerbsrechtliche Privilegierung und die Rechtfertigung der Sonderstellung grundsätzlich in Frage zu stellen. Sachlich nicht mehr gerechtfertigte Wettbewerbsnachteile für Privatsender müssen so rasch wie möglich beseitigt werden.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation des österreichischen Rundfunkmarkts sowie der Entwicklungen auf EU-Ebene hat der VÖP Vorschläge für Änderungen der österreichischen Rundfunkgesetze erarbeitet. Corinna Drumm, Vorstandsmitglied des VÖP und Geschäftsführerin von Sat.1 Österreich erläutert dazu: „Rasche Änderungen sind aus Sicht der österreichischen Privatsender notwendig. Die Einschränkungen, die für private Rundfunkveranstalter existieren, sind sachlich nicht geboten und dringend zu beseitigen. Endlich müssen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen dem ORF und den privaten Rundfunkveranstaltern geschaffen werden.“
Konkret schlägt der VÖP für das private Fernsehen vor:
> Flexibilisierung der Vorschriften über Unterbrecherwerbung (§ 36 PrTV-G),
> Abschaffung der täglichen Höchstdauer für Werbesendungen unter Beibehaltung der stündlichen Höchstdauer und die quantitative Beschränkung von Teleshoppingfenstern (§ 44 PrTV-G),> Lockerung der Bestimmungen über Patronanzsendungen (§ 46 PrTV-G),
> Regelung der Zulässigkeit von Product Placement, und zwar ohne Beschränkung des Wertes der Gegenleistung
> Aufhebung des Verbots des Auftritts von NachrichtenmoderatorInnen und ModeratorInnen von Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen in Werbe- und Teleshoppingspots (§ 35 PrTV-G)
Da der private Hörfunk nicht unter den Anwendungsbereich der AVMD-RL fällt und auch keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Hörfunk mit Fernsehen besteht, fordert der VÖP gleichzeitig für privaten Hörfunk:
> weitergehende Lockerungen der Werberegelungen, nämlich die gänzliche Abschaffung der höchstzulässigen Werbezeit (§ 19 Abs 2 PrR-G),
> Lockerung des Trennungsgebotes von Werbung und redaktionellem Programm (§ 19 Abs 3 PrR-G),
> Abschaffung der Bestimmungen über Patronanzsendungen
> Klarstellung, dass Product Placement eindeutig grundsätzlich und zwar ohne Beschränkung des Wertes der Gegenleistung zulässig ist
Um ein ausgewogenes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem ORF und den privaten Rundfunkveranstaltern in Österreich zu gewährleisten, verlangt der VÖP auch diverse Einschränkungen für Werbeaktivitäten des ORF:
> Reduktion der Werbezeit im Hörfunk und im Fernsehen (§ 13 Abs 6 und 7 ORF-G)
> Verbot des Verkaufs von Werbezeit für Single Spots (§ 13 Abs 9 ORF-G)
> Verschärfung der Bestimmungen über Patronanzsendungen für ORF-Radios (§ 17 ORF-G)
> Verbot der Einbindung von Product Placement in Sendungen und Programmen des ORF (§ 14 Abs 5 – 8 ORF-G)
> Einführung einer Höchstgrenze für Einnahmen aus Werbung und Sonderwerbeformen sowie geeignete Sanktionsmaßnahmen (etwa die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Werbeeinnahmen)
Christian Stögmüller: „Die Vorgaben der AVMD-Richtlinie und die Diskussionen auf EU-Ebene im Zusammenhang mit der Finanzierung des ORF sind eine historische Chance für das Duale System in Österreich! Die Medienpolitik ist daher gefordert, so rasch wie möglich EU-konforme Rahmenbedingungen zu setzen.“