20.05.2010. „Verantwortungslos und extrem marktgefährdend“ – mit klaren Worten kommentiert der VÖP die Forderungen einiger Landeshauptleute nach Einführung von Werbemöglichkeiten im Regional-TV des ORF.
„Der ORF ist mit 530 Millionen Euro Gebühren für 2010 fürstlich ausgestattet. Das ist mehr als doppelt so viel wie alle Privatsender zusammen an Werbeeinnahmen haben!“, erläutert Dipl.Kffr. Corinna Drumm, Geschäftsführerin des VÖP. „Im ersten Quartal liegt der ORF sogar über Plan – auch ohne die 50 Millionen Euro, mit denen der Staat den ORF zusätzlich subventionieren will. Warum also noch mehr Geld? In Zeiten, in denen den Österreicherinnen und Österreichern Steuererhöhungen in Aussicht gestellt werden, ist ein solcher Umgang mit Steuergeldern nicht nachzuvollziehen.“
Aber nicht genug damit, dass der ORF zukünftig noch mehr Gebühren erhalten soll. Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll er auch zusätzliche Werbemöglichkeiten bekommen. Mehr Product Placement und mehr Werbung während Sportübertragungen werden bereits für ein schönes Plus beim ORF sorgen.
„Wenn man dem ORF nun darüber hinaus auch noch regionale Werbung in ‚Bundesland heute‘ erlaubt, dann würde der Wettbewerb ja noch mehr verzerrt als er ohnehin schon ist!“, so Drumm. „Dadurch würde nicht nur der private Rundfunkmarkt – allen voran die lokalen und regionalen Sender – existentiell gefährdet werden. Es würde auch den gesamten Medienmarkt in Österreich extrem negativ beeinflussen. Die Landeshauptleute lassen sich hier vor den Karren des ORF spannen!“.
Schon jetzt schöpft der ORF seine Werbezeiten nicht voll aus. Dazu Dr. Klaus Schweighofer, VÖP-Vorsitzender: „Die Zahlen zeigen deutlich, dass der ORF am Werbemarkt im Durchschnitt über 40% Rabatt gewährt. Anders ausgedrückt: Der ORF schenkt 40% seiner Werbezeit schon jetzt her! Wieso soll er da noch weitere Werbemöglichkeiten bekommen, die den privaten Markt unnötig gefährden? Das ist unverantwortlich und die Forderung nach Werbung im ORF-Regionalfenster ist vor diesem Hintergrund eine echte Provokation.“ Nach Ansicht des VÖP muss der ORF im Gegenteil stückweise aus dem Werbemarkt herausgeführt werden, so wie das in fast allen europäischen Ländern geschieht.
Ein weiterer Punkt, über den die Politik derzeit noch uneins ist, ist die Kontrolle des ORF. Mag. Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Vorsitzender, findet hierzu klare Worte: „Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass eine stärkere Kontrolle des ORF durch eine unabhängige Institution unabdingbar ist. Die Kontrollbefugnisse der KommAustria, die im derzeitigen Entwurf vorgesehen sind, sind aus unserer Sicht noch nicht weitreichend genug. Sowohl im Hinblick auf die umfassende Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags, als auch auf die Einhaltung gesetzlicher Spielregeln muss es eine Kontrollinstanz geben, die sowohl von der Politik als auch vom ORF unabhängig ist.“
Die Forderungen des VÖP für ein duales Rundfunksystem im Überblick:
- Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags und Quantifizierung der Programmbestandteile Information, Kultur, Unterhaltung und Sport für jeden ORF-Kanal
- Klares Nein zu regionaler Werbung in ORF „Bundesland heute“, die die Existenz vor allem der regionalen und lokalen Privatsender erheblich gefährden würde
- Verbot von Product Placement im ORF in sämtlichen Programmen, auf die der ORF direkt oder auch indirekt Einfluss nehmen kann
- Abschaffung des Durchrechnungszeitraums für Werbezeitbeschränkungen oder Reduktion auf maximal eine Woche
- Langfristig: Reduktion der ORF-Werbemöglichkeiten, um eine umfassende Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags zu sichern
- Gebührenrefundierung für den ORF nur gegen weitere Werbebeschränkungen, um eine weitere Verzerrung des Wettbewerbs zu vermeiden
- Effektive Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten der KommAustria im Hinblick auf die Erfüllung des Kernauftrags
- Erhöhung der Privatrundfunkförderung auf zumindest 20 Millionen Euro jährlich zur Verringerung der Wettbewerbsverzerrung aufgrund der Gebührenfinanzierung, ab 2010
> Link zu zwei Audio-Beiträgen: hier und hier
> Link zum Statement des Verbands Österreichischer Zeitungen