05.07.2023. Mit der heute im Plenum des Nationalrats beschlossenen Änderung des ORF-Gesetzes werden die Weichen für die österreichische Medienlandschaft neu gestellt – zum Schaden für den Medienmarkt.
Noch stärkere ORF-Dominanz im Online-Markt steht zu befürchten
Dem ORF wird durch die beschlossenen Änderungen des ORF-Gesetzes aufgetragen, sein TV- und Radio-Angebot noch stärker als bisher in den Online-Bereich auszudehnen, und die neuen ORF-Gebühren vor allem dazu zu verwenden, ein umfassendes Online-Angebot mit Inhalten aller Art bereitzustellen. Dafür werden dem ORF in den ersten drei Jahren Beitragseinnahmen von 720 Millionen Euro jährlich plus Steuervorteile im Wert von 70 bis 90 Millionen Euro garantiert, und es wird ihm durch Gesetzesbeschluss sogar geholfen, die Personalkosten zu reduzieren.
Die heutige Beschlussfassung schädigt in erster Linie österreichische TV- und Radioanbieter, aber auch Zeitungen und Online-Medienangebote, die ihre Inhalte – trotz des Drucks von Google, Facebook und Co – in Zukunft nun auch gegen den verstärkten Angebotsdruck des ORF online refinanzieren sollen. Es ist zu befürchten, dass private Medienanbieter wirtschaftliche Einschnitte vornehmen werden müssen.
Effekte der Werbebeschränkungen liegen weit unter der Zielvorgabe der Bundesregierung
Besonders enttäuschend ist, dass die öffentliche Zusage der Bundesregierung, die Werbeflächen in den ORF-Kanälen im Werbegegenwert von 25 bis 30 Millionen Euro einzuschränken, nicht halten wird. Diese Maßnahme war als kleiner, wirtschaftlich spürbarer Ausgleich für Privatsender gedacht, um den zusätzlichen Druck durch die neuen und erweiterten ORF-Angebote am österreichischen Markt etwas abzufedern. Die nun vorgesehenen Werbebeschränkungen werden dieses Ziel jedoch weit verfehlen.
Zweifel an den Zusagen an die Bevölkerung sind angebracht
Die Bundesregierung hat den Menschen in Österreich ebenfalls Zusagen in Bezug auf die Gebührenhöhe und die Höhe der ORF-Finanzierung gemacht, darunter die Zusage, dass der ORF-Beitrag in den nächsten drei Jahren nicht erhöht wird, und die Ankündigung, dass die zu erwartenden Mehrerlöse aus dem ORF-Beitrag in eine Rücklage kommen, die Beitragserhöhungen ab 2026 verhindern oder abmildern soll. Weiters hat die Bundesregierung angekündigt, dass sie den ORF zu einem sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Umgang mit den Beitragserlösen verpflichten wird, und dass er ein von Privatprogrammen unterscheidbares, vielfältiges Programmangebot für alle anbieten wird. Es wird abzuwarten und zu prüfen sein, ob diese Zusagen in Erfüllung gehen.
Unabhängige Vorab-Prüfung von Mehrwert und Wettbewerbseffekten wird ausgeschlossen
Das neue ORF-G schließt für die neuen Online-Angebote des ORF die sogenannte Auftragsvorprüfung explizit aus. Somit wird keine unabhängige Prüfung und Abwägung des Mehrwerts für die Gesellschaft durch die neuen Angebote im Vergleich zu dem Wettbewerbsschaden – der dadurch entsteht, dass der ORF die Angebote aus Gebühren finanziert, während alle anderen Medien vergleichbare Angebote über Marktmechanismen finanzieren müssen – stattfinden.
Formale Beschwerde an EU-Kommission ist in Prüfung
Da die privaten Mitbewerber somit keine Möglichkeit haben, ihre Interessen auf nationaler Ebene rechtlich zu vertreten, und da eine amtswegige beihilfenrechtliche Prüfung durch die Europäische Kommission aufgrund der fehlenden Notifizierung des Gesetzes ebenfalls nicht stattfinden wird, bleibt den privaten Rundfunksendern letztlich nur die Möglichkeit einer formalen Beschwerde an die EU-Kommission. Dies wird verbandsintern derzeit geprüft.
„Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, den einzigen staatlich subventionierten Marktteilnehmer, der schon jetzt sämtliche Märkte, auf denen er tätig ist, dominiert, noch zusätzlich zu stärken. Gleichzeitig wird eine Schwächung der wirtschaftlichen Grundlage des privaten Rundfunkangebots in Österreich – trotz vielfacher und eindringlicher Warnungen von allen Seiten – in Kauf genommen. Konstruktive Vorschläge unsererseits, wie die gesetzten Ziele in marktverträglicher Weise erreicht werden könnten, wurden nicht berücksichtigt.[1] Private TV-, Radio- und Online-Angebote aus Österreich bleiben somit der – zukünftig noch stärkeren – kommerziellen Konkurrenz durch den ORF ausgesetzt. Darunter werden die Vielfalt und die Qualität österreichischer Medien in Österreich leiden.“, fasst Corinna Drumm, Geschäftsführerin des VÖP, zusammen.
VÖP begrüßt Änderungen von PrR-G und AMD-G
Außer dem neuen ORF-Gesetz hat der Nationalrat heute auch geringfügige Änderungen des PrR-G und des AMD-G beschlossen. „Wir begrüßen die Änderung des Privatradiogesetzes, die eine wichtige Weichenstellung für die Weiterentwicklung von digitalterrestrischem Hörfunk darstellt.“, so Drumm. „Der Ausbau von DAB+ in Österreich wird dadurch gefördert und es können Synergieeffekte realisiert werden, was zur Absicherung des österreichischen Radioangebots beträgt.“ Auch die Änderung des AMD-G begrüßt Drumm mit Hinweis auf die damit einhergehenden administrativen Erleichterungen für private TV-Veranstalter.
[1] Der VÖP hatte schon im Begutachtungsverfahren umfangreich zum Gesetzesvorschlag Stellung genommen; die Stellungnahme des VÖP inkl. des Gutachtens von Peter Lammerhuber steht hier zum Download bereit:
https://www.voep.at/orf-g-gefahr-fuer-medienvielfalt-verhindern