21.12.2009. Der VÖP kritisiert die zusätzliche Marktverzerrung durch die geplanten Gesetzesnovellen. Weder schaffen diese die Rahmenbedingungen für ein faires duales System zu schaffen, noch sorgen sie für Chancengleichheit.

Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) hat heute in einer umfangreichen Stellungnahme gegenüber dem Bundeskanzleramt zu den vorgeschlagenen Novellen von ORF-Gesetz, Privatfernsehgesetz und Privatradiogesetz Position bezogen.

Der VÖP weist darin erneut auf die dominante und in vielen Bereichen marktbeherrschende Stellung des ORF im Wettbewerb zu den Privaten hin. Der ORF versucht nach Ansicht des VÖP, in einem unlösbaren Spagat sowohl zu anderen öffentlich-rechtlichen Anbietern, als auch zu Privatsendern in Konkurrenz zu treten. Das Programm des ORF verliert dadurch jegliche Unverwechselbarkeit und mithin auch die Legitimation für den Erhalt von über 500 Millionen Euro jährlich an Gebühren.

Nicht zuletzt deshalb ist die Kommission in dem Beihilfeverfahren gegen die Republik Österreich – das unter anderem auf eine Beschwerde des VÖP aus dem Jahr 2005 zurückgeht – zu dem Ergebnis gelangt, dass die derzeitige Finanzierung des ORF wettbewerbsverzerrend ist.

Der Gesetzgeber hätte nun bei den notwendigen Gesetzesänderungen die Chance gehabt, den ORF auf seine Kernaufgaben zurückzuführen und den Wildwuchs an kommerziellen Aktivitäten, die die Entwicklung eines gleichberechtigten dualen Rundfunksystems behindern, zu beseitigen. Diese Chance hat der Gesetzgeber mit dem zur Begutachtung vorgelegten Entwurf eindeutig nicht wahrgenommen.

Ziel des VÖP ist es, fairen Wettbewerb zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern herbeizuführen und Chancengleichheit für beide Seiten des Markts zu sichern. Vor diesem Hintergrund fordert der VÖP in seiner Stellungnahme insbesondere folgende Punkte:

  • Erhöhung der Privatrundfunkförderung auf 20 Millionen Euro jährlich
    Die geplante Abgeltung der Einnahmenausfälle des ORF aufgrund von Gebührenbefreiungen in Höhe von 160 Millionen Euro führt zu einer weiteren, den privaten Markt gefährdenden Verzerrung des Wettbewerbs. Zur Abmilderung dieses Effekts fordert der VÖP mit aller Dringlichkeit eine Aufstockung des Fonds zur Förderung des privaten Rundfunks auf mindestens 20 Millionen Euro pro Jahr!
  • Klare Einschränkung für Product Placement im ORF
    Der Gesetzesentwurf sieht die maximale Liberalisierung von Product Placement beim ORF vor: So soll Product Placement in Zukunft zusätzlich auch bei Sendungen der leichten Unterhaltung möglich sein. Aus der Sicht des VÖP ist Product Placement aber grundsätzlich unvereinbar mit dem Objektivitätsgebot und dem Qualitätsanspruch eines öffentlich-rechtlichen Senders. Der VÖP fordert daher eindringlich, dass Product Placement in sämtlichen Programmen, auf die der ORF direkt oder auch indirekt Einfluss nehmen kann, ausnahmslos verboten wird. Zusätzlich sind im Gesetzesentwurf „Produktionshilfen von unbedeutendem Wert“ vorgesehen. Die Erfindung dieses „Product Placement im unterschwelligen Bereich“ ist nicht nur eine unnotwendige Grauzone. Sie steht im Hinblick auf die eingeschränkte Kennzeichnungspflicht sogar im Widerspruch zu europarechtlichen Vorgaben.
  • Effektive Reduktion des Durchrechnungszeitraums für Werbezeitbeschränkungen
    Der bisher in § 13 Abs 7 ORF-G geregelte Durchrechnungszeitraum von einem Jahr verhindert effektiv die Überprüfung der Einhaltung der Werbezeitbeschränkungen durch den ORF. Um eine effektive Rechtsaufsicht zu gewährleisten, sollte dieser Durchrechnungszeitraum daher entweder ganz abgeschafft werden oder auf maximal eine Woche begrenzt werden.
  • Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags
    Der öffentlich-rechtliche „Kernauftrag“ des ORF bleibt für den Bereich seiner Fernseh- und Hörfunkaktivitäten inhaltlich unverändert und entspricht nach Ansicht des VÖP damit nicht den Vorgaben der EU. Derzeit bietet der ORF kein ausgewogenes und differenziertes Gesamtprogramm an: Insbesondere sind Information und Kultur – also jene Bestandteile, die für die Unverwechselbarkeit essentiell sind – nicht in gleichwertigem Ausmaß enthalten. Der derzeit sehr weit gefasste Auftrag muss daher konkretisiert werden. Es muss innerhalb bestimmter Bandbreiten quantifiziert werden, in welchem Ausmaß in den einzelnen Programmen die Programmbestandteile Information, Kultur, Unterhaltung und Sport angeboten werden müssen.
  • Effektive Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten im Hinblick auf Erfüllung des Kernauftrags
    Die Republik Österreich hat im Rahmen des Beihilfeverfahrens effektive Kontroll- und Sanktionsmechanismen im Hinblick auf die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zugesichert. Die geplanten Zuständigkeiten der KommAustria bei der Rechtsaufsicht über den ORF stellen aber keine wirksamen Kontrollbefugnisse dar, da die bestehenden Angebote des ORF von der Kontrolle ausgenommen sind. Geeignete Sanktionsmöglichkeiten fehlen ebenfalls. Der vorliegende Gesetzesentwurf entspricht daher nach Ansicht des VÖP nicht den Vorgaben des Beihilfeverfahrens.
  • Kritik an „Besonderen Aufträgen“
    Dem ORF wird im vorliegenden Entwurf aufgetragen, ein „Informations- und Kulturspartenprogramm“ zu veranstalten – dies jedoch nur „nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit“. Der VÖP kritisiert diesen offensichtlichen Widerspruch: Entweder ist der Gesetzgeber der Ansicht, dass ein solche Spartenkanal im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrages erforderlich ist. Oder die Bestimmung dient ausschließlich dazu, eine geplante Aktivität des ORF absichern und die Betätigung von Privatsendern in einer solchen Marktnische zu verhindern.
    Kritik äußert der VÖP auch im Hinblick auf die Regelungen für Online-Angebote des ORF. Wenngleich es eine scheinbare Beschränkung des ORF im Bereich Online gibt, so hat diese faktisch wenig Wirkung. Denn „Onlineangebote, die einen wirksamen Beitrag zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Kernauftrags leisten“, sollen jedenfalls gestattet sein. Im Hinblick auf die „TV-Thek“ des ORF fordert der VÖP, dass diese jedenfalls werbefrei bleiben muss und Inhalte aus dem Bereich Unterhaltung ausgenommen bleiben müssen.

Darüber hinaus bringt der VÖP noch eine Vielzahl an weiteren Kritikpunkten in seiner Stellungnahme vor, die hier zum Download bereit steht.