12.10.2012. Nach dem für den ORF als desaströs zu bezeichnenden KommAustria-Bescheid vom 5.10.2012 hat der ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz in eigenen Aussendungen und diversen Interviews mehrere unsachliche und unrichtige
Behauptungen aufgestellt, die der Korrektur bedürfen. Der VÖP empfiehlt dem ORF daher dringend eine sachlichere Gangart.
Die von Wrabetz aufgestellte Behauptung, dass Privatsendern wie ATV oder PULS 4 die Lizenz entzogen werden müsste, wenn man diese nach den gleichen Kriterien beurteilen würde, grenzt an Absurdität und offenbart das verfehlte Selbstverständnis des ORF, der sich offenbar als Privatsender sieht. Im Gegensatz zu privaten Medien, die sich auf bestimmte Teilsegmente ausrichten dürfen, muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Programm an der Gesellschaft als Ganzes ausrichten. Er darf sich eben nicht nur auf quotenstarke Unterhaltungsprogramme konzentrieren, sondern muss auch Inhalte anbieten, die im Interesse der Allgemeinheit sind und die private Medien aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht anbieten. Dies ist die Legitimation für die zwangsweise eingehobenen Rundfunkgebühren, aus denen der ORF jährlich 600 Millionen Euro erhält.
Wrabetz behauptet zudem, dass die KommAustria als „Programmdirektor“ agiere und dem ORF auf „Zehntelprozent“ genau vorschreibe, welcher „Typus von Sendungen“ gespielt werden sollte. Auch dies entbehrt jeder Grundlage. Tatsächlich hat die Komm-Austria in ihrem Bescheid lediglich sehr breite Korridore zwischen 10% und 66% für die vier, im Gesetz vorgeschriebenen Programmkategorien definiert. Derartige Vorgaben stellen keinen Eingriff in die Medienfreiheit dar. Sie sichern im Gegenteil jene inhaltli-che Vielfalt ab, die der ORF nachgewiesenermaßen in den letzten Jahren nicht ge-boten hat. Wenn Wrabetz meint, dass die Programmautonomie des ORF so weit gehe, dass er sich der Kontrolle durch die „staatliche Bürokratie“ entziehen könnte, unterliegt er einem fatalen Irrtum.
Der von der KommAustria bestellt Gutachter Dr. Jens Woelke ist weder ein „informeller Mitarbeiter des VÖP“, noch „befangen“. Auch das vom ORF behauptete „Naheverhältnis zu deutschen privaten Mitbewerbern“ ist durch nichts begründet. Vielmehr ist Dr. Woelke ein anerkannter und unabhängiger Wissenschafter. Auch die Kritik des ORF an der von Dr. Woelke im Auftrag der RTR bereits vier Mal durchgeführten „TV-Programmanalyse“ ist nicht nachvollziehbar. Diese Studie ist methodisch analog zu vergleichbaren Untersuchungen in Deutschland und in der Schweiz aufgebaut, die Analysemethodik ist somit international gebräuchlich. Eher zu hinterfragen sind die vielen, vom ORF selbst produzierten „Studien“ und „Gutachten“, die ihm ausschließlich tadelloses Verhalten bescheinigen.
Der von Wrabetz ebenfalls abqualifizierte Dr. Alfred Grinschgl ist seit vielen Jahren Geschäftsführer der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH, des Geschäftsapparats der unabhängigen Regulierungsbehörde KommAustria. Dr. Grinschgl ist zweifellos weder ein Vertreter des Privatfernsehens, noch des Privatradios. Im absolut gesetzeskonformen Verhalten der RTR-GmbH ein „übles Spiel“ zu sehen, spricht für sich selbst.
„Wir empfehlen dem ORF dringend, eine sachlichere Gangart einzulegen. Diese unqualifizierten Vorwürfe sind haltlos, ebenso wie die unsachlichen Anwürfe gegenüber einzelnen Beteiligten.“, kommentiert Corinna Drumm, Geschäftsführerin des VÖP. „Der ORF muss akzeptieren, dass er nicht außerhalb des Gesetzes steht. Er kann sich nicht einfach der gesetzlich geregelten Kontrolle durch eine unabhängige Behörde entziehen! Ebenso wenig könnte eine Bank einfach behaupten, nicht der Kontrolle durch die Finanzmarktaufsicht zu unterliegen.“
Es ist international völlig normal, dass eine unabhängige Behörde die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Senders untersucht und hierzu eine berufliche Meinung äußert, ohne dass dies als behördlicher Eingriff in die Programmautonomie abgetan wird. In Frankreich etwa wurde (ebenfalls am 5.10.2012) ein entsprechender Bericht des CSA über „France Télévisions“ veröffentlicht . Auch der britische OFCOM berichtet in den „Public Service Broadcasting Reviews“ seit Jahren über die quantitativen Leistungen der britischen öffentlich-rechtlichen Sender.
„Die Führung des ORF scheint ein völlig falsches Selbstverständnis von öffentlich-rechtlichem Rundfunk zu haben.“, so Drumm. „Umso wichtiger erscheint in diesem Licht die völlig richtige Entscheidung der KommAustria.“